Sachsen-CDU will offenbar lieber Damoklesschwert über Kohlestandorten als geordneten Ausstiegsfahrplan

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hat im Namen der sächsischen CDU Forderungen nach Einführung einer nationalen CO2-Steuer eine Absage erteilt.

Ob nun wie 2018 bei den längst überfälligen Sonderausschreibungen für Erneuerbare Energien oder jetzt bei der Debatte um die CO2-Besteuerung: immer dann, wenn sich in Berlin in Sachen Energie- und Klimapolitik tatsächlich Bewegung abzeichnet, probt die sächsische CDU den Zwergenaufstand. Diesmal sogar der Ministerpräsident. 

Es ist schade, dass nach den wiederholten Niederlagen solcher energie- und klimapolitischen Querschüsse aus Sachsen die ideologischen Beißreflexe der sächsischen CDU offenbar so verhärtet geworden sind, dass sie jedes Innehalten und Nachdenken verhindern.

Denn was da der sächsische Ministerpräsident dem geballten Sachverstand aus der ökonomischen Wissenschaft und aus großen Teilen der Industrie trotzig entgegen schleudert, das hat vor allem das Potenzial, ihm selbst und auch den sächsischen Kohleregionen schwer auf die Füße zu fallen.

Der Ministerpräsident hat ein den letzten Monaten wieder und wieder betont, wie wichtig ihm eine geordnete Gestaltung des schrittweisen Kohleausstiegs sei, damit die Strukturentwicklung in den Kohleregionen Schritt halten kann. Mit seinem sächsischen Widerstand gegen Instrumente zur Steuerung der CO2-Bepreisung fordert er nun stattdessen, die Kohleregionen dem freien Spiel der Kräfte am Energie- und Zertifikatemarkt auszusetzen.

Ein Verzicht auf nationale Instrumente zur CO2-Bepreisung würde bedeuten, das Ende der sächsischen Kohlekraftwerke und Tagebaue von der Entwicklung europäischer Zertifikatepreise, von Spekulation und Handeln Dritter abhängig zu machen. Was jahrelang wegen gigantischer Zertifikateüberschüsse und daraus resultierender verschwindend niedriger Zertifikatepreise weitgehend folgenlos bleiben konnte, wird bereits innerhalb der nächsten 10 Jahre zur Hochrisikostrategie für die Kraftwerksstandorte.

Niemand bestreitet mehr, dass es im jahrelang weitgehend wirkungslosen Emissionshandelssystem nach inzwischen erfolgter Reparatur innerhalb des nächstens Jahrzehnt zu Knappheitspreisen kommen wird. Die Verdreifachung der Zertifikatepreise innerhalb des letzten Jahres, der noch nicht mal eine Verknappung, sondern nur die Aussicht auf eine Verknappung zugrunde lag, ist ein Vorgeschmack. Wie steil und wie hoch die Preisausschläge in Knappheitsszenarien sein werden, weiß niemand genau. Angesichts der CO2-Vermeidungskosten, die in anderen Sektoren wie z.B. dem Verkehr sehr viel höher sind als etwa im Energiesektor, sind jedoch Preisausschläge denkbar, die einen regelrechten Schock für das Geschäftsmodell von Kohlekraftwerken bedeuten würden.

Anstelle eines verlässlichen Ausstiegsfahrplans hinge damit ein Damoklesschwert über den Kraftwerken und ihren Standorten, von dem keiner weiß, wann der Faden reißt.

Wer wie der sächsische Ministerpräsident in den letzten Wochen den Eindruck erweckte, das taggenaue Abschaltdatum von Kohlekraftwerken politisch entscheiden zu können, der muss nun den Menschen vor Ort erklären, warum er das wichtigste Steuerungsinstrument nicht in die Hand nehmen möchte.

Wirtschaft und Energiewirtschaft, aber auch regionale Strukturwandelprojekte brauchen vor allem eines: den Rahmen für langfristige Planungssicherheit. Ein stetiger und verlässlicher Anstieg der Preise für die CO2-Verschmutzungsrechte schafft diese Planbarkeit und schafft ausreichend Zeit für Anpassung und Umsteuern. Dieses allmähliche Umsteuern parallel zu Klimaschutzzielen zu erreichen und dafür Planungssicherheit zu schaffen – das ist das Wesen von CO2-Mindestpreisinstrumenten.

CO2-Mindestpreissysteme sind kein Teufelszeug, sondern erfolgreiche und durchaus sehr soziale Instrumente. Sie funktionieren etwa in der Schweiz, in Schweden und in Großbritannien und genießen dort breite öffentliche Zustimmung. Als Teil einer grundlegenden Steuer- und Abgabenreform im Energiebereich können sie so gestaltet werden, dass sie sogar soziale Ungerechtigkeiten abbauen und zudem drastische Vereinfachungen darstellen.

Der neuerliche Zwergenaufstand der Sachsen-CDU wird auch diesmal scheitern. Der CO2-Mindestpreis wird kommen und er wird auch in der Bundesrepublik ein Erfolg für Klimaschutz, Zukunftsfähigkeit, Wirtschaft und Sozialsysteme.

Über all das denkt eine sächsische CDU nicht einmal nach. Denn sie scheint nur noch eine Strategie zu verfolgen: der vermeintliche Vorteil von heute ist weit wichtiger als die Verantwortung für morgen. Das wird im Zeitalter der Fridays-for-Future-Bewegung zum sicheren Garanten, nicht nur einzelne Zwergenaufstände zu verlieren, sondern mehr und mehr Vertrauen in der Gesellschaft.

Ich habe keine Ahnung, wer diese CDU und diesen Ministerpräsidenten in Fragen der Energiepolitik berät. Es drängt sich aber die Vermutung auf, dass es sich weniger um Expertise aus der Wissenschaft handelt, sondern eher um eine Standleitung in die Konzernzentrale der LEAG.

Und so kommt dann eben immer wieder raus, was eher auf ein paar letzte rauschende Feste mit Kohleaktionären angelegt ist als auf eine Zukunftsfähigkeit in und für Sachsen. Doch am Ende wird es keine Gemeinsamkeit mehr geben: die Kohleaktionäre schließen die Bücher und genießen irgendwo auf der Welt die gewonnenen Milliarden. Die Sachsen-CDU steht mit leeren Händen vor einem Land, dem sie schon wieder erklären muss, warum die Menschen für Politikversagen doppelt und dreifach bezahlen sollen.

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